Der schmale Grat der Wahrheit

 

 

 

 

Nur die Wahrheit kann uns retten:

Wahrheit in den Worten,

Wahrheit in den Handlungen,

Wahrheit im Willen,

Wahrheit in den Gefühlen.

 

Die Mutter

Die Wahrheit des Integralen Yoga liegt jenseits von Verderbtheit und Tugend

 

Die Wahrheit ist ein schmaler Grat, der sich zwischen beiden erhebt. Bei der Verderbtheit würde niemand widersprechen. Jeder verurteilt Mord, Lüge, Bosheit oder Gemeinheit.

Wird aber die Tugend und vor allem die Tugendhaftigkeit als Leitlinie des spirituellen Pfades angezweifelt, wird es schwierig. Bis dieses Gebilde mit seinen starren Glaubensmustern zerlegt ist, bekommt man in diesem Yoga viele Schläge und Lernmöglichkeiten vor die Nase gesetzt. Was erschwerend hinzukommt ist die Angewohnheit, dass man vermeintliche Fehler oder mangelnde Tugendhaftigkeit sehr schnell beim Gegenüber zu erkennen glaubt und als störend empfindet. Und es dauert lange, bis man erkennt, dass es etwas ist, das in uns selbst nach Erlösung drängt: die nötige Projektion des blinden Flecks nach außen.  

 

Nach den ersten Berührungen mit dem Göttlichen versuchen wir gern, dem Bild eines `spirituellen Menschen´ zu entsprechen, oder besser dem, was wir dafür halten. Unser aufgewühlter Verstand will das Erlebte mitteilen, und so haben wir einen verständlichen Selbstanspruch an uns selbst, uns auch entsprechend "lieb und weise" zu verhalten. Oder wir meinen, dass unser Umfeld das von uns erwartet, denn anfänglich ist kaum jemand vollkommen immun dagegen, was andere Menschen von ihm halten. Unser Mental als Teil des menschlichen Egos ist es gewohnt, jede Erfahrung zu analysieren, seine begrenzte Sichtweise darüber zu stülpen, sie zu "seiner" zu machen und dem hinzuzufügen, was wir als unsere "Identität" begreifen. Das war lange seine Aufgabe, um das Überleben zu sichern. Aber was die höhere Wahrheit angeht, ist seine Sichtweise absolut begrenzt und verzerrt. 

Zudem hat jeder Mensch seine einzigartige Weise der Annäherung an das Göttliche und damit seine Wahrheit, die Dinge zu empfinden und zu sehen. Nur wenig davon lässt sich verallgemeinern und auf andere übertragen. Wir werden DIE WAHRHEIT erst vollkommen verkörpern, wenn eben auch unsere Körper transformiert und vergöttlicht sind. Nur im Göttlichen treffen wir uns, werden eins und erkennen. Alles andere ist der Versuch, dorthin zu gelangen.  

Häufig begegnet man gerade in der sogenannten (spirituellen) Wahrheitsszene Verhaltensmustern der (ver-)urteilenden Art, sich für etwas Besseres und die eigene Wahrheit als die einzig richtige zu betrachten. Nähert man sich dem nicht konform oder bringt gar Kritik an, ist die Reaktion zuweilen wenig spirituell. In den sozialen Medien wird das gezielt unterstützt durch das selektive Verteilen von Likes oder Herzchen, je nach Übereinstimmung oder Gefallen des Kommentars. Ohne zu merken, dass dieses Werten dem trennenden Ego entspringt.  

Hier ist das sogenannte "spirituelle" Ego im Spiel. Ein Kumpan, der sich raffiniert hinter einem Zipfelchen Wahrheit verbirgt und nur durch schonungslose Ehrlichkeit und Mut gegenüber sich selbst und der Umwelt zu entlarven ist. 

 

Der Integrale Yoga hebt sich zusätzlich von allen bisherigen spirituellen Wegen dadurch ab, dass man es hier mit einem Wahrheitsbewusstsein zu tun hat, das in seiner Läuterung alle menschlichen Wesensteile miteinbezieht. Auch jene, die den unbewussten Reaktionen  und Gewohnheiten des Physischen zuzuordnen sind, die sich im Laufe der Evolution in der Materie verfestigt haben und bis heute unsere Glaubensmuster speisen. Die körperliche Widerspenstigkeit gegen den Einfluss des Supramentals wird als besonders schmerzhaft erfahren. 

Aber erst, wenn die Supramentale Transformation durchlaufen wurde, ist die Verschmelzung mit dem Göttlichen integral, vollständig und die Wahrheit verkörpert. Das ist das absolut neue Element dieses Pfads der göttlichen Verwirklichung.  

 

 

Der Wunsch, ein guter Mensch zu sein

 

An seinem Charakter zu arbeiten, die Beobachterrolle einzunehmen, als wären nicht wir der Handelnde, die Aspiration aufrecht zu erhalten, sich nicht unnötig in äußere Konflikte verwickeln zu lassen, sich in bedingungsloser Akzeptanz und Liebe zu üben, etc., sind Voraussetzungen für jeden spirituellen Pfad. Das heißt jedoch nicht, immer nur zu lächeln und das Leben kritiklos über sich hereinbrechen zu lassen. Das macht uns zum Spielball anderer Menschen, Umstände und manchmal auch wiedergöttlicher Energien. Das ist nicht gottgewollt, denn noch ist die Schöpfung nicht am Endziel dessen, was das Göttliche Bewusstsein verwirklichen möchte, und das ist Macht und Liebe – beides. Und bis dahin müssen wir zuweilen auch kämpfen. 

Ruhig seine Meinung zu sagen, sich zu verteidigen, "Nein" zu sagen, ist erlaubt. Auf das „wie“ kommt es an. Es macht keinen Sinn, sich in endlose Wortgefechte zu verwickeln, um rhetorisch als Sieger hervorzugehen. Vielleicht hat uns in solch einem Moment nur unser besserwisserisches Ego ein Schnippchen geschlagen, und wir haben die Argumente des anderen verpasst. Derartige Siege fühlen sich schal an, denn sie entfernen uns von der spirituellen Konzentration und unser Bewusstseinsniveau sinkt.  

Zurückzuweisen, was uns nicht gut tut, ein Umfeld zu verlassen, das uns erstickt, kann durchaus erforderlich sein, wenn es nicht Teil unserer Lebensthemen für die Transformation ist.  Vieles ist jetzt dafür vorgesehen, aus der Schöpfung zu verschwinden, deshalb lehnen wir uns als logische Konsequenz dagegen auf. Im zweiten Fall wird es uns in anderer Form immer wieder begegnen, bis wir alles damit zusammenhängende erlöst haben. 

Ob wir kämpfen sollen, uns zurückziehen oder ausharren, werden wir je nach Situation erkennen, wenn wir offen sind und uns der Göttlichen Führung anvertrauen. Dinge in unserem Alltag zu meiden, die wir fürchten, ist sinnlos. Ängste zu überwinden ist Teil dieses Yogas, und manche Situationen werden wiederholt auf uns zukommen, bis wir ihnen mit Gleichmut begegnen. Es ist das Göttliche, das in diesem Yoga die schwierigste Arbeit für uns tut und uns bei allem zur Seite steht, wir sind damit nicht allein. Doch es dauert, bis wir dieses bedingungslose Vertrauen entwickeln. Gerade in der letzten Phase der körperlichen Umwandlung wird es immer wieder enorm herausgefordert. Gleichzeitig erfährt man das, was auch die Mutter anmerkte: Ab einem gewissen Grad des Fortschritts ist Vertrauen nicht mehr unbedingt nötig; der Prozess lässt sich nicht mehr aufhalten, solange wir keine unüberlegte Dummheit begehen. Aber er ist vergleichsweise leichter zu ertragen, wenn wir uns immer wieder überwinden und uns öffnen.   

 

Das Bemühen um Tugendhaftigkeit ist einer der größten Tricks unseres Egos auf diesem Weg. Gerade hier im Westen sind wir sehr auf unseren ausgereiften Intellekt konzentriert, der hervorragend analysiert und meist glaubt, für alles eine Lösung zu haben.  In vielen Kreisen ist es üblich, dass die Fassade, das äußere Auftreten, wichtiger ist als der Gehalt des Gesagten. Wohltätigkeit ist institutionalisiert, zuweilen korrumpiert, und es ist fragwürdig, inwiefern damit die Ursachen für Elend bekämpft werden. Nicht selten verbirgt sich dahinter das pure Gegenteil dessen, was nach außen propagiert wird, was uns die Zukunft – gerade in Hinsicht auf unsere Kinder – noch schmerzhaft enthüllen wird. Beurteilen wir also richtig, ob und in welcher Form  Hilfe angebracht ist? 

Schon seit längerem kursiert der Begriff des "Gutmenschen" im Netz. Vieles davon geht auf das falsch verstandene christliche Verständnis von Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit zurück. Wäre nicht jeder gern ein guter Mensch, der durch kein böses Wort auffällt, sich stets geduldig und hilfsbereit verhält und niemanden verletzt? Aber wissen wir in jeder Situation, wessen unser Gegenüber gerade bedarf? Ersticken wir ihn nicht manchmal, wenn wir ihm unsere "Werte" und Ansichten "überstülpen"? Verbirgt sich hinter manchem Altruismus vielleicht ein selbstgefälliges Helfersyndrom oder sogar Schlimmeres? Wird andererseits das Böse in der Welt freiwillig beiseite treten, wenn wir ihm "in Liebe" die andere Wange hinhalten und warten, dass ein anderer für uns kämpft?  

 

 

Es ist eine der bittersten Erfahrungen der Mitleidigen, dass es nicht immer zum Besten der Seele, des Geistes oder des Leibes eines Menschen gewesen ist, ihn vor Leiden an seinem Leibe oder Geiste bewahrt zu haben. 

 

Sri Aurobindo

 

 

Regelmäßig wiesen Sri Aurobindo und Mutter darauf hin, dass als erstes die Lüge verschwinden und durch die Wahrheit ersetzt werden muss, bevor die Liebe sich manifestieren kann. Bereits Jesus Christus sprach vor über 2000 Jahren davon, dass er mit dem Schwert der Wahrheit zurückkommen werde. Die Mutter brachte 1964 klar zum Ausdruck: "Das ist eine Erfahrung, die sich mir immer klarer zeigt: Damit sich der Kontakt mit dieser wahrhaftigen göttlichen Liebe manifestieren kann, d.h. sich frei ausdrücken kann, ist bei den Wesen und in den Dingen eine MACHT vonnöten, ... die noch nicht existiert. Sonst gerät alles durcheinander."

Unser Körper als zukünftiger Tempel für das Göttliche muss vorbereitet und reingefegt werden. Und so beginnt der Weg wirklich anstrengend zu werden, wenn wir mental hart an uns gearbeitet haben und plötzlich die ersten dunklen Nischen in unserem Körperkleid durch das supramentale Licht aufgeschmolzen werden. Wir stellen fest, dass von da an unsere "tugendhafte" Seite und die darunter liegenden Urgründe regelrecht zerlegt werden. Eine wahre Berg- und Talfahrt an Emotionen beginnt. Man übersteht sie nur durch kompromisslose Authentizität und Ehrlichkeit. Wir werden konfrontiert mit den wahren Beweggründen hinter unseren Gedanken, Worten und Taten. Dadurch erfühlen wir sie zunehmend auch bei unserem Gegenüber, ungeachtet von Anschein und Eloquenz jeder noch so perfekt geschniegelten Fassade der Tugendhaftigkeit. Sei es im privaten Umfeld oder auf dem globalen Parkett.  

Bis in unser körperliches Zellbewusstsein hinein wird der Göttliche Funke freigelegt von der zähen evolutionären Schicht des Unbewussten und Unterbewussten. Was dabei nach oben kommt, ist schmachvoll. Es ist u.a. all das, was wir freiwillig nie jemandem anderem zeigen würden. Wenn das passiert, lässt es jedes Bedürfnis nach Anerkennung unserer spirituellen "Heiligkeit" oder Abgrenzung als etwas Besseres wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Jegliches unangebrachte Helfersyndrom oder Missionierungsbedürfnis wird vor Augen geführt und zerlegt. Was man jedoch unmittelbar nach diesen Läuterungsschüben feststellt, ist die Zunahme einer gesunden Selbstsicherheit und Demut, die sich selbst genügt und niemandem mehr aufdrängt. 

 

Wir stecken alle gleichermaßen in dieser globalen "unterirdischen" Vernetzung, niemand ist dagegen gefeit, solange die Transformation nicht vollendet ist. Es wird einem nur bewusster, je länger an einem gearbeitet wird. Und man lernt. 

Ebenso unangebracht ist es, wenn unser Umfeld den Anspruch an uns richtet, wir müssten als spirituelle Menschen für alles Verständnis haben und kritiklos und selbstlos ständig unser Wohlwollen über jeden ausschütten. Egal, wie man uns behandelt. Es ist der Durchlässigkeit und zunehmenden Empfindlichkeit des Körpers auf diesem Weg geschuldet, dass manche Menschen unserem Körper z.B. Übelkeit, Kopf- oder Zahnschmerzen bereiten, wenn ihre netten Worte und ihre wirklichen Beweggründe nicht übereinstimmen. Von weniger netten ganz zu schweigen oder der Angewohnheit, Energien abzuziehen, die wir ihrer Meinung nach ja im Überfluss haben müssten. Dahinter steckt der falsch verstandene Anspruch, das Göttliche hätte in erster Linie unsere Wünsche zu befriedigen. Wie eingangs schon erwähnt, sind Herzchen und Wertschätzchen eine schöne Sache, und jeder nimmt sie hin und wieder gern entgegen oder verteilt sie an andere. Aber als Selbstzweck oder permanenter Ausdruck von "Heiligkeit" bedienen sie nur unser ohnehin schon überbordendes Ego, solange wir noch nach der Verwirklichung streben. Daran zu erkennen, dass nicht jeder eines bekommt und "verdient".   

 

Die spirituellen Läuterungen dieses Weges können wir nicht kontrollieren, und jeder noch so liebevoll und heilig anmutende Zeitgenosse verbirgt dieselbe unheilige Schmach in den unsichtbaren Netzen seines Fleischkleids wie der vermeintliche Schurke, über den in der Fernsehreportage berichtet wird. Kratzt man an den Mäntelchen mancher "Spiritueller", tritt das verborgende Hässliche zuweilen erschreckend heftig zutage, denn manche Regungen lassen sich nur schwer unterdrücken. Im Laufe der Transformation geschieht das durch das Einwirken des Supramentals unweigerlich, wir können nichts dagegen tun. Jedes tugendhafte Mäntelchen, das wir uns nur umgelegt haben und das nichts mit der natürlichen Erhabenheit der Seele zu tun hat, wird uns regelrecht entrissen, wie Sri Aurobindo es so wunderbar beschreibt. Das empört einen regelmäßig, man versteht  es erst wirklich, wenn es einem etliche Male passiert ist, vorher nicht. Denn es ist jetzt zusätzlich das Bewusstsein der Körperzellen, das empfindet, versteht, reagiert und lernt. Mit dieser Tiefe an Empfindungen hatten wir noch nie zu tun. 

 

 

 Mein Geliebter nahm mir das Kleid der Sünde, und ich ließ es freudig fallen; dann zupfte Er an meinem Kleid der Tugend, da aber schämte ich mich und wehrte Ihm voller Bestürzung.

Erst als Er es mir mit Gewalt entriss, sah ich, wie verborgen mir meine Seele gewesen war. 

 

Sri Aurobindo

 

 

  

Wir blicken überall in Spiegel

  

Wie schnell echauffieren wir uns über das Verhalten anderer? Können wir ganz sicher sein, dass es nicht unsere eigenen verdeckten Themen sind, die sie uns spiegeln?

Und selten übernehmen Provokateure die Verantwortung für ihre Worte und Taten, wenn sich in einer Gegenreaktion entlädt, die sie verursachten. Während sie hinter ihrer freundlichen Fassade verborgen ihre eigenen egohaften Ziele verfolgten – bewusst oder unbewusst. Das kann man im Kleinen bis hinein in die Medienlandschaft und Politik gut beobachten.

Reagiert etwas in uns enttäuscht, beleidigt, verletzt oder fordert unser Konkurrenzverhalten heraus, ist es in uns noch nicht erlöst. Darum haben wir grundsätzlich an uns selbst zu arbeiten. In diesem Yoga hören diese Prüfungen bis zuletzt nicht auf. Keiner von uns ist in Gottes Augen "besser" oder "schlechter" als ein anderer, nur auf unterschiedlichen Stationen seines ganz individuellen evolutionären Weges. Es ist nicht außergewöhnlich, gegen die liebevolle Strenge hinter der göttlichen Berührung zu revoltieren, die uns das immer wieder ent-deckt. 

Und wissen wir mit Sicherheit, ob ein schwieriger Mensch, über den wir uns ob seiner vermeintlichen Schlechtigkeit immer wieder empören, nicht bewusst diese unschöne Maske übergezogen hat, um uns in dieser Inkarnation zu unserer Weiterentwicklung zu verhelfen? Oder ob es eine karmische Lernaufgabe ist, die wir in Geduld und Liebe zu erlösen haben? Vielleicht sogar im Streit, in der Auseinandersetzung, bis wir alles damit zusammenhängende gelebt, uns zu eigen gemacht, geklärt, immer wieder Gott dargeboten und letztlich in Erkenntnis, Gleichmut und Liebe verwandelt haben? 

So erfährt man zum Beispiel, sobald man sich auf einen spirituellen Pfad begeben hat, dass der Anspruch, bedingungslos zu lieben, geprüft wird, indem einem plötzlich lauter ungehobelte Gesellen über den Weg laufen. Ein Ausweichen ist zuweilen unmöglich, denn oft ist es ein Familienangehöriger, ein Arbeitskollege, der Lebenspartner, ein Kind, der Vermieter oder Mieter, der Bus- oder Taxifahrer.

Verlässt man die Situation, um ihr auszuweichen, so man das kann, kommt alsbald der nächste um die Ecke und fordert uns erneut heraus. 

 

 

 Sünde ist eine List und Verkleidung von Krishna, um sich vor dem Blick der Tugendhaften zu verstecken. Sieh, o Pharisäer, Gott im Sünder, lass Sünde in dir selbst dein Herz läutern, und umarme deinen Bruder.

 

Sri Aurobindo

 

Mutters Kommentar dazu:

"Sri Aurobindo sagt uns auf seine schlagende und humorvolle Art, dass die Göttliche Wahrheit ebenso jenseits von Tugend wie von Sünde ist."

  

 

 

Diesen Yoga macht man nicht für sich allein

 

Es ist tröstlich, zu wissen, dass durch unsere globale Vernetzung nur ein Teil dieser Schmach an Hass, Wut, Scham, Schuldgefühlen, Ängsten, Neid,  etc. wirklich "unser" ist. Wird etwas in uns bereinigt, erhebt sich ein Teil aus dem Schwingungsfeld der globalen Materie und "dockt" mit an, weil es in Resonanz dazu geht. Für eine Weile ergreift das, was hochkommt, unser ganzes Sein, wobei es sich dann tatsächlich so anfühlt, als wäre all das Teil unserer Persönlichkeit, unserer Identität. Mutter sagte: "Dann wird es persönlich!" Wir haben somit unseren Anteil an dem unschönen irdischen Morast auf uns zu nehmen in diesem Yoga, und das ist sehr herausfordernd. 

Die betreffenden Körperstellen kann man mit der Zeit deutlich identifizieren, denn zusätzlich zu den psychischen Begleiterscheinungen dessen, was da in unser Tagesbewusstsein aufsteigt, sind alle Erfahrungen grundsätzlich körperlich. Mit der Zeit kristallisiert sich unser ganz eigenes Problemfeld und die zu erledigenden Aufgaben in diesem Leben heraus. Meist haben wir sie wegen der Hartnäckigkeit, mit der sie in unserem Leben immer wieder in Erscheinung treten, schon geahnt.  

 

 

  Prüfe dich erbarmungslos, und du wirst dich deinen Mitmenschen gegenüber gütiger und mitfühlender verhalten.

 

Sri Aurobindo

 

  

Mutters Kommentar dazu: "Sehr gut! (Mutter lacht) Das ist sehr gut.

Das tut allen gut, nicht wahr?

Besonders den Leuten, die sich für sehr überlegen halten.

Aber es entspricht wirklich etwas sehr Tiefem. ...

Es entspricht einem Zustand, in dem man sich so VOLLKOMMEN mit allem identifiziert, was existiert, dass man konkret zu all dem wird, was anti-göttlich ist – worauf man es hingeben kann. Man kann es hingeben und durch dieses Opfer wirklich transformieren.

Im Grunde genommen stellt dieser Wille nach Reinheit, nach dem Guten (was sich in der gewöhnlichen Mentalität ausdrückt als das Bedürfnis, tugendhaft zu sein) das GROSSE HINDERNIS im Menschen für eine echte Selbsthingabe dar. Der Ursprung der Falschheit und besonders die eigentliche Wurzel der Heuchelei liegt hier: in der Weigerung, den eigenen Anteil der Last der Schwierigkeiten auf sich zu nehmen. Dieses Problem berührte Sri Aurobindo in seinem Aphorismus auf sehr einfache, direkte Art und Weise.

Versucht nicht, tugendhaft zu sein. Seht, wie weit ihr mit allem, was anti-göttlich ist, verbunden und EINS seid, nehmt euren Teil der Last an, akzeptiert, selbst unrein und falsch zu sein, denn so könnt ihr den Schatten aufnehmen und ihn hingeben. In dem Maße, wie ihr fähig seid, ihn aufzunehmen und hinzugeben, werden sich auch die Dinge ändern. 

Versucht nicht, zu den Reinen zu gehören. Akzeptiert, mit jenen zu sein, die in der Dunkelheit sind, und gebt all dies hin in totaler Liebe."

 

 

Es ist eine immense Herausforderung in diesem Yoga, dass man es zulassen und aushalten muss, zumindest temporär immer und immer wieder, von diesen dunklen Anteilen "psychisch" vollkommen "verschluckt" und beherrscht zu werden, die entsprechenden körperlichen Schmerzen und Verkrampfungen auszuhalten, sie gleichzeitig immerfort dem Göttlichen Bewusstsein darzubieten, dabei noch möglichst gelassen zu bleiben, bis sie geläutert und umgewandelt sind. Man scheitert oft genug oder glaubt, es zu tun, weil es so schmachvoll ist. Aber im Hintergrund baut sich gleichzeitig eine unsichtbare Kraft auf, die man in den ruhigen Phasen deutlich spürt.

Nicht ohne Grund wies Sri Aurobindo auf die Schwierigkeiten dieses Weges hin und empfahl diesen Yoga nur jenen, die einen Ruf dafür erhalten haben. 

 

 

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