Sri Aurobindo, Mutter und Avatarschaft

 

 

Was Sri Aurobindo in der Weltgeschichte repräsentiert, ist keine Lehre, nicht einmal eine Offenbarung: es ist ein entscheidendes Handeln direkt vom Höchsten her. ...

 Ohne ihn existiere ich nicht; ohne mich ist er nicht offenbart. 

Die Mutter

 

 

Mutters Bewusstsein und meines sind dasselbe, das eine göttliche Bewusstsein in zweien, weil dies für das Spiel erforderlich ist. Nichts kann getan werden ohne ihr Wissen und ihre Kraft.

Sri Aurobindo

 

 


 

"Würde die Menschheit nur einen Schimmer davon erhaschen, was für unendliche Freuden, was für vollendete Kräfte, was für leuchtende Weiten spontanen Wissens, was für ruhige Ausdehnungen unseres Wesens auf uns warten in Regionen, die unsere tierhafte Natur noch nicht erobert hat, so würde sie alles lassen und nicht eher ruhen, als bis diese Schätze gewonnen sind. Doch der Pfad ist eng, die Tore sind schwer aufzubrechen, und Misstrauen, Angst und Zweifelsucht sind da, die Fangfühler der Natur, die unseren Fuß daran hindern sollen, sich von den gewöhnlichen Weiden abzukehren."

 

 

 

 

"Die störrische Hartnäckigkeit, mit der wir uns an unser dürftiges, unvollkommenes, nacht- und kummerbeladenes individuelles Dasein klammern, selbst dann, wenn uns die ungebrochene Seligkeit unseres universalen Lebens ruft, ist eines der erstaunlichsten Geheimnisse Gottes. Es kann höchstens verglichen werden mit der unendlichen Blindheit, mit der wir den Schatten unseres Ego über die ganze Welt werfen und dann das universale Wesen nennen."

Symbol von Sri Aurobindo

 

 


 

"Eine neue Welt ist geboren. Gegenwärtig sind wir mitten in der Übergangsperiode, in welcher beide sich ineinander verschränken: Die alte Welt besteht noch in all ihrer Macht, beherrscht das gewöhnliche Bewusstsein, aber die neue schleicht sich ein, so bescheiden und unaufdringlich, dass sie für den Augenblick wenigstens äußerlich nicht sehr viel verändert ... Aber sie arbeitet, sie wächst, bis auf den Tag, an dem sie stark genug ist, sich augenfällig zu behaupten."

 


 

 "Halte meine Worte nicht für eine Lehre. Stets sind sie eine wirkende Kraft. Sie wurden zu einem ganz bestimmten Zweck geäußert, und sie verlieren ihre eigentliche Macht, wenn sie von diesem Zweck getrennt sind."

 

 

 

Symbol der Mutter


Sri Aurobindo und Mutter ging es darum, uns den Vorgang der Transformation zu ermöglichen, ihrem Beispiel zu folgen und die Chance zu ergreifen, bewusst aus dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt auszutreten und in etwas vollkommen Neues überzugehen. Dafür hatten sie sich freiwillig in einen menschlichen Körper begeben, ihn studiert, geforscht und gelitten.

Mutter hat während der Transformation ihres menschlichen Körpers manche für den menschlichen Intellekt schwer verständliche philosophische Erkenntnisse Sri Aurobindos aufgegriffen, sie aufgrund ihrer eigenen praktischen Erfahrungen ergänzt und den Vorgang der Transformation in so einfachen Worten wie möglich erläutert. Sie wollte, dass jeder verstand. Die nächste Stufe der menschlichen Evolution steht allen Menschen offen, die sich aufrichtig nach dem Göttlichen sehnen. Sie ist keine komplizierte Wissenschaft oder nur den intelligentesten Menschen vorbehalten.

Sri Aurobindos und Mutters Schriften je nach Neigung und Umfang zu studieren, ist unerlässlich. Man muss jedoch bei beiden bedenken, dass ihre Aussagen zu einem Thema sich im Laufe der Jahre veränderten und widersprüchlich erscheinen. Das liegt an der sich entwickelnden Wahrnehmung, die sich immer mehr ausweitet, bis zu dem Moment, wo absolut alles als dem Göttlichen zugehörig miteinbezogen wird und miteinander  harmoniert. 

Alle bestehenden Gegensätzlichkeiten haben zu ihrer Zeit und je nach eingenommener Bewusstseinsebene ihre Berechtigung und sind dort Wahrheit. Liest man die Agenda, kann man diesen Prozess wunderbar erkennen und mitvollziehen.

Ein reines "Diskutieren über" ist hinderlich, wenn man den Weg praktisch beschreiten will. Denn unser Intellekt tut nichts lieber als das und drückt sich damit gern um Stillwerden, Hingabe und Tun herum. Auf diesem Weg muss er entweder mitarbeiten und sich dem höheren Ziel unterordnen oder abdanken. Andernfalls steht er im Weg, verhindert das Fließen des Supramentalen Bewusstseins oder verzerrt es, wie ein unreiner Filter.

 


Avatare und ihre Aufgabe

Unter Avatar versteht man das Göttliche, das freiwillig auf der Erde einen menschlichen Körper annimmt, um eine bestimmte Arbeit im Rahmen der Evolution zu tun. Sei es in evolutionären Krisen oder um die Menschheit auf eine neue Bewusstseinsstufe anzuheben:

 

"Der avatār hätte keine große Bedeutung, wenn er nicht mit der Evolution verbunden wäre. Die hinduistische Reihe der zehn avatāra ist gleichsam in sich eine Parabel der Evolution. Zuerst der Fisch-avatāra, dann das Amphibientier zwischen Land und Wasser [die Schildkröte], dann das Landtier [der Eber], dann der Mann-Löwe, der die Brücke zwischen Mensch und Tier schlägt, dann der Mensch als Zwerg, klein und unentwickelt und ganz physisch, doch die Gottheit in sich bergend und vom Dasein Besitz ergreifend; es folgen die rajasischen, sattvischen und nirguṇa-avatāra [die unpersönlichen avatāra], welche die menschliche Entwicklung vom vital-rajasischen zum sattvisch-mentalen Menschen und schließlich zum obermentalen Übermenschen führen. Krishna, Buddha, Kalki stellen die drei letzten Stadien dar, die Stadien der spirituellen Entwicklung – Krishna öffnet die Möglichkeit des Obermentals, Buddha versucht, zur höchsten Befreiung in das Jenseitige emporzuschießen – diese Befreiung jedoch ist noch negativ und wendet sich nicht zur Erde zurück, um die Evolution im positiven Sinn zu vollenden; Kalki gleicht dies aus, indem er das Königreich des Göttlichen auf die Erde bringen und die sich widersetzenden asurischen Kräfte vernichten wird. Das Fortschreiten ist deutlich und unwiderlegbar.

Was die Leben anbelangt, die zwischen den Leben der avatāra liegen, so darf man nicht vergessen, dass Krishna von vielen Leben in der Vergangenheit spricht, nicht nur von einigen höchsten, und dass er, obgleich er sich als das Göttliche bezeichnet, an einer Stelle von sich als vibhūti spricht, vṛṣṇīnāṃ vāsudevaḥ. Wir können daher beinahe annehmen, dass er sich in vielen Leben als ein vibhūti ( = göttliche Macht, eine göttliche Macht im Menschen; eine verkörperte Welt-Kraft; ein Führer der Menschen) und das vollere Göttliche Bewusstsein verbarg. Wenn wir davon ausgehen, dass es das Ziel des avatars ist, die Evolution zu lenken, dann ist es durchaus verständlich, dass das Göttliche in den großen Übergangsstadien als avatar erscheint und als vibhūti, um die kleineren Übergange zu stützen." 

(Sri Aurobindo, Briefe über den Yoga 1)

 

Sri Aurobindo bezeichnete die Mutter als Verkörperung der Göttlichen Mutter: "Aditi – die Mutter. Aditi ist zugleich und unteilbar das Bewusstsein, die Kraft und das Ananda ( = Seligkeit, Entzücken, Glückseligkeit, spirituelle Ekstase; das essentielle Prinzip des Entzückens; ein Selbst-Entzücken, aus dem die eigentliche Natur des transzendenten und unendlichen Daseins besteht) des Höchsten; sie ist die Mutter, seine lebende Dynamik, die höchste Liebe, Weisheit, Macht. ...

Der Wahrheit der Dinge entsprechend ... werden die Welten aus dem göttlichen Bewusstsein hervorgebracht, aus Aditi, der Göttin des unendlichen Seins, der Mutter der Götter, dem unteilbaren Bewusstsein, dem Licht, das kein Makel befallen kann." 

Auch die Mutter war in unzähligen menschlichen Rollen immer wieder inkarniert. Die christliche Welt kennt sie als Mutter Maria.

 

Beide hielten nichts davon, das Augenmerk zu sehr auf ihre Biografie zu legen. Deshalb wird hier bewusst auf die Beschreibung ihres äußeren Lebenswegs verzichtet und nur eine Verlinkung angeboten. Im Netz sind mehrere Biografien zu finden. Sri Aurobindo, an einen seiner Biografen gerichtet:  

"Weder du noch jemand anderes weiß auch nur irgendetwas von meinem Leben, es hat sich nicht für die Menschen sichtbar an der Oberfläche abgespielt." 

 

Als die Mutter 1968 von einem Radiointendanten im Rahmen einer "spektakulären Sendung" als Krönung um die Reminiszenzen ihres Lebens in Indien gebeten wurde, antwortete sie: 

"Die Reminiszenzen sind kurz. Ich kam nach Indien, um Sri Aurobindo zu begegnen. Ich blieb in Indien, um mit Sri Aurobindo zu leben. Als er seinen Körper verließ, fuhr ich fort, hier zu leben, um sein Werk weiterzuführen: d.h. der Wahrheit zu dienen und die Menschheit zu erleuchten, um die Herrschaft der Göttlichen Liebe auf der Erde zu beschleunigen."

Diese Antwort spiegelt Mutters unnachahmliche ironische Art wieder.  

Weder sie, noch Sri Aurobindo wollten eine neue Religion begründen, angebetet oder nur diskutiert werden. Sie waren und sind reine AKTION und wirken hinter den Kulissen der sichtbaren Welt weiter, um uns bei unserem Übergang zu unterstützen. Sie wollen, dass wir nachfolgen und WERDEN.

 


Wir wollen das Supramental als eine Fähigkeit herabbringen. Ebenso wie das Mental gegenwärtig ein dauerhafter Bewusstseinszustand in der Menschheit geworden ist, wollen wir ein Geschlecht hervorbringen, in welchem das Supramental ein ständiger Bewusstseinszustand sein wird. Es ist weit von meiner Absicht entfernt, irgendeine Religion, sei sie alt oder neu, für die Menschheit der Zukunft zu propagieren. Einen Weg zu öffnen, der noch blockiert ist, nicht eine Religion zu gründen, ist meine Vorstellung von dieser Angelegenheit. 

 

Sri Aurobindo

 

 


6. April 2018/aktualisiert am 23. April 2020