Niemand ist eine Insel – ein Blick zurück

 

Es gibt für Sadhaks des Integralen Yoga sehr viele Regeln. Ich habe sie alle studiert und bin wahrlich kein Meister darin, mich an alle akribisch zu halten. Das hat einmal mit meiner Biografie zu tun und andererseits damit, dass ich erst sehr spät verstand, auf welchen Weg ich berufen war. Ich lernte also schon früh „by doing“, vielleicht sogar aus diesen Gründen.       

In all den Jahrzehnten der spirituellen Praxis haben sich für mich ein paar wesentliche Erkenntnisse herausgeschält, die ich an mir selbst oder auch anderen spirituellen Suchern beobachtete. Zusammen mit Sri Aurobindos und Mutters Anweisungen ergaben sich ein paar Schwerpunkte, die ich gern weitergeben möchte; in meiner ganz eigenen authentischen Sprache. 

 

   Sei kein hoch aufgeschossenes, unberührbares Minarett, das nur philosophisch-heiligen Sprech von sich gibt und andere wortkarg `abblitzen´ lässt. Das hat nichts zu tun mit spirituellem, authentischem Verhalten und kann jede Lebendigkeit in dir ersticken. Der Höchste wird dir das schonungslos aufbrechen und dir die eigene Scham vor Augen führen. 

Mach dich andererseits nicht klein oder verlier dich in anderen, weil sie dir scheinbar `überlegen´ oder auf dem Weg `voraus´ sind. Jeder hat dasselbe Anrecht auf Seelenwachstum und Größe und ist auf dem Weg. 

 

   Halte dich nicht für etwas Besseres und versuche nicht, tugendhaft zu erscheinen. Auch, wenn du zu den wenigen gehörst, die auf diesen einzigartigen Weg berufen wurden und du damit tatsächlich im Moment noch „etwas Besonderes“ bist –  was du irgendwann zweifelsfrei weißt. 

Die anderen werden irgendwann in ihrer Zeit nachfolgen, sie sind nur später dran.  

 

   Wenn es zu deinen Aufgaben gehört, zu lehren, dann nimm diesen Ruf an und lass es dir von anderen nicht ausreden. Manchmal ist Neid im Spiel, denn "people don´t like what is superior", wie Mutter sagte.

Aber finde den Unterschied zwischen einerseits `Wissen ungefragt aufzudrängen´ und dich selbst in irgendeiner Form „anzupreisen“, oder aber andererseits unterstützend und mitfühlend Hinweise zu geben, die hilfreich sein könnten. 

 

   Wenn Menschen sich an dir orientieren, verdienen sie absolute Aufrichtigkeit und Authentizität. Sei keine personifizierte Imitation spiritueller Vorurteile, wie du zu sein hast oder gib nur das weiter, von dem du glaubst, dass andere es gerne hören würden. Dahinter steckt der Antrieb, anderen Menschen gefallen zu wollen, nicht in erster Linie Gott zu dienen.

 

   „Lieb-sein-wollen“ ist nicht dasselbe wie aufrichtig ohne Bedingungen zu lieben. Auch die Wahrheit und die göttliche Berührung werden auf weiten Strecken alles andere als „lieb“ erfahren. Und trotzdem entspringen sie der göttlichen Liebe. Es gilt, die göttliche Liebe durch sich hindurchfließen zu lassen und selbst vollkommen `transparent´ zu werden.  

 

   Nimm davon Abstand, höhere Erfahrungen anderer gering zu schätzen oder sie anzuzweifeln. Jeder hat seinen individuellen Zugang zum Höchsten, und aufrichtige Erfahrungen waren zu allen Zeiten erhebend. Sie waren vielen Menschen Zeugnis, Anregung und Ermutigung, sich selbst für das Göttliche zu öffnen und fanden als helle Leuchtfeuer und Wegweiser Einlass in die großen spirituellen Schriften.

 

   Das gilt auch für dich selbst. Allerdings ist es in spirituellen Kreisen eine Regel, nicht über Erfahrungen zu sprechen. Du kannst dich strikt daran halten, was nicht verkehrt ist. Aber mich haben die Schilderungen anderer unglaublich berührt, mein Herz mit großer Freude und Dankbarkeit erfüllt und mir dabei geholfen, die meinen zu verstehen. Liegen sie weiter zurück, kann man sie durchaus weitergeben, ohne, dass ihre Wirkung zerstreut wird, wie Sri Aurobindo anmerkte. Deshalb lasse ich meine eigenen bewusst und überlegt in mein Geschriebenes einfließen. 

 

   Sei voll und ganz in dieser Welt, aber vermeide es, wissentlich auszuharren in Situationen oder in der Gesellschaft von Menschen, die dein Bewusstsein herabsetzen. Findest du dich hingegen trotz Standortveränderung ständig in denselben Konstellationen wieder, dann schau genau hin, was in dir selbst noch nicht erlöst wurde oder was deine Lebensaufgabe ist – das muss nicht unbedingt eins zu eins dasselbe sein. Denn manchmal lebst du in einem Umfeld, das ganz besonders deiner Heilung bedarf. Kannst du solch eine Umgebung nicht verlassen, dann verenge dich nicht, lass das Göttliche Bewusstsein neutral und ungehindert in diese hineinfließen und vermeide innere Abwehr oder Groll. 

Das ist eine der größten Herausforderungen und erfordert sehr viel Ausdauer, Mitgefühl und Stärke.  

 

   „Der Prophet gilt im eigenen Lande nichts“. Dieser Spruch wurde als sehr wahr erfahren. Über seinen Weg zu sprechen, wirkt auf Menschen im langjährigen unmittelbaren Umfeld abgehoben und befremdlich. Sie können es weder spüren, noch glauben. Manche Reaktionen können sehr verletzend sein und dich gerade in den ersten Schritten auf dem Weg verunsichern und entmutigen. Vor allem nach den ersten unerwartet körperlichen Erfahrungen der Sadhana ist das Bedürfnis groß, sich mitzuteilen, denn der eigene Verstand muss erst damit zurechtkommen und sich fügen. Und wir sind es gewöhnt, wenn uns etwas erschüttert, dass wir uns anderen Menschen anvertrauen oder auf Zuspruch und Rat hoffen.

Es ist besser, sich damit an Menschen zu wenden, die selbst auf dem Weg sind und gesprächsbereit. Bleibt es auf einem gewissen Niveau, ist es kein Tratsch und Klatsch oder wird zu einem Ringen der Egos, was nur das Bewusstsein herabsetzt. 

Für mich sind es Mitgefühl und geschwisterliche Liebe, in dieser Form füreinander da zu sein.

 

   Stütze dich andererseits nicht auf andere Menschen in diesem Yoga, das ist eine sehr klare Regel. Es gilt, den Unterschied zum vorherig Gesagten zu erkennen. Durch die herausfordernden Phasen der Läuterung muss man allein gehen, es gibt weder eine Abkürzung, noch können andere Menschen einem davon etwas abnehmen. Sie können nicht verstehen, was in dir vor sich geht.  

Zudem ist man in dieser Zeit übersensibel und wenig `gesellschaftstauglich´. 

 

   Was ich hingegen in den anfänglichen Phasen der körperlichen Arbeit als positiv erfuhr war, dass ich nach diesen Runden schneller „ins Tageslicht“ zurückfand, wenn ich für kurze Zeit unter Menschen ging. Sei es zum Einkaufen oder einfach auf einen Spaziergang an einer belebten Seepromenade. (Allein in der Natur gelang mir das nicht, ich brauchte menschliches Leben um mich herum.) 

Manchmal krallt sich der Bann, der über den Körperzellen liegt, länger fest, als es einem lieb ist, denn unser Ego und vitale universelle Energien ernähren sich von diesen Dramen und halten sie gern am Laufen. Wir sind nicht von Anfang an ein Meister in diesen Dingen.  

Damit sollte man es allerdings nicht übertreiben, denn sonst zerstreut man die dabei bekommene Dosis göttlichen Bewusstseins, die einem für die eigene Transformation gegeben wurde. Es ist nur ein Notbehelf, aus solch einem Kreislauf heraus- und möglichst schnell wieder in die göttliche Hingabe zurückzufinden. Nur wenigen ist der Wandel auf dem sonnenhellen Pfad vergönnt. 

 

Vielleicht können meine ehrlichen Beobachtungen und Erkenntnisse für jemanden hilfreich sein.  

 

 

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