Jeder von uns kennt negative Emotionen. In diesen Tagen werden wir besonders davon überrollt. Sei es leibhaftig oder über die Medien. Die Menschen sollen ja fortwährend in einer Spirale von Angst und Empörung gehalten werden. Das wird sich in den nächsten Monaten eher steigern, wenn die gesamte unselige Informationsflut der globalen Ereignisse aus Jahrzehnten über uns hereinbricht. Auslöser für negative Emotionen sind nicht die Ereignisse oder Nachrichten selbst, denn es passiert ständig irgendetwas auf dieser Welt, was uns nicht gefällt. Es kommt darauf an, wie wir damit umgehen. Wir können aus unserem begrenzten Blickwinkel die Wahrheit hinter den Dingen nicht wirklich erkennen. Es ist also gut, sich weit über das Geschehen zu erheben und sein Bewusstsein möglichst weit auszudehnen, um das ganze Bild zu betrachten.
Alle negativen Emotionen entstehen auf dieselbe Weise: Sie kommen von außen und dringen in uns ein. Identifizieren wir uns damit und nehmen wir sie als Teil von uns selbst an, müssen wir hinnehmen, wie sie sich durch uns ausagieren. Bewusstere Menschen fühlen sich hinterher ausgelaugt und erschöpft, vielleicht sogar enttäuscht, weil sie ihnen nichts entgegenzusetzen hatten. Andere hingegen laufen dabei erst zur Höchstform auf.
Viele Menschen tragen alten Groll in sich, das ist überhaupt nicht außergewöhnlich, wenn man bedenkt, wie viel Schmerz, Unterdrückung und Demütigung wir im Laufe der Evolution ohnmächtig hinnehmen mussten. Auch so mancher Yogi war bekannt für seine Unbeherrschtheit.
Man hört sehr oft, wie uns Bemerkungen oder Taten anderer „triggern“, eine Verletzlichkeit oder ein verborgenes Trauma in uns berühren. Das wird dann schnell als Provokation empfunden und wir
reagieren unter Umständen nicht nur mit Schmerz darauf, sondern mit Wut oder Groll auf den anderen. Manchmal ahnen weder wir selbst, noch unser Gegenüber, weshalb das so heftig
ausfällt.
Es ist bereits ein Bewusstwerdungsprozess angelaufen, wenn wir erkennen, dass es möglich sein muss, auf eine andere Weise mit hochsteigenden negativen Emotionen fertig zu werden, als sie immer
wieder auszuleben. Denn sich zu empören oder „Zurückzugeben“ ist eine Lieblingsbeschäftigung des Egos. Es gibt Menschen, die nichts lieber tun, als über andere zu tratschen und sich dabei
regelrecht in Rage zu reden. Das gibt ihnen ein Gefühl der Überlegenheit und Stärke. Auffallend ist, dass diese Menschen oft die Stille nicht ertragen können. Denn das, was andockt, findet
plötzlich keinen `Blitzableiter´mehr.
Woher kommen diese negativen Emotionen und wie bekommt man sie los?
Hegen wir sie über Jahre hinweg, können sie uns regelrecht krank machen. Die Konflikttheorie der Germanischen Medizin ist inzwischen bekannt und die Psychosomatik oder Metamedizin ist vielen
Menschen ein Begriff.
Negative Emotion wie z.B. Ärger oder Wut sind Teil der universellen, niederen Natur. Mit Vorliebe werden sie von niederen Wesenheiten in uns angestachelt oder auf uns geworfen, wenn sie eine
entsprechende Empfänglichkeit dafür in uns erkannt haben. Lassen wir es zu, dass sie sich in uns einnisten als „meine“ Wut, identifizieren wir uns also damit, fassen sie das als Einladung auf und
kehren mit Vorliebe immer wieder zurück.
Aber in uns drin sollten wir der Herr im Hause sein, ihnen einen gebührenden Empfang bescheren und sie augenblicklich hinauswerfen. Dazu müssen wir aufrichtig und willentlich die
entsprechende Absichtserklärung vor uns selbst leisten und eine sensible Beobachtungsgabe entwickeln.
„Der allererste Schritt, um die Macht des Zorns in der Natur zu schwächen und ihn dann ganz loszuwerden, besteht darin, ihm jeden Ausdruck in Form von
Handlungen oder Worten zu verweigern. Danach kann man mit größerer Erfolgswahrscheinlichkeit dazu übergehen, ihn auch aus den Gedanken und Gefühlen zu
vertreiben. Und so verhält es sich mit allen anderen falschen Bewegungen. …
Es wäre nicht wirklich schwierig, ihn loszuwerden, wenn du ihn, wenn er kommt, ruhig betrachtest – denn es ist durchaus möglich, in einem Teil des Wesens
zurückzustehen und in einem losgelösten Gleichmut zu beobachten, selbst, wenn der Ärger an der Oberfläche aufsteigt – als ob es jemand anderes in deinem Wesen wäre, der den Ärger hat. Die
Schwierigkeit besteht darin, dass man sich erschreckt und erregt, und das macht es der Sache leichter, von deinem Geist Besitz zu ergreifen, was sie nicht sollte.“ (die Mutter)
Einige praktische Ratschläge
Mutter empfahl, statt zu handeln oder zu sprechen, sich besser zurückzuziehen, sich den Ärger bewusst zu machen, genau zu betrachten und dann möglichst ruhig aufzuschreiben. Wenn man ihn
aufgeschrieben hat, ist er in der Regel verschwunden.
Es ist ein bekanntes Ritual, sich das, was einen unnötig belastet, so lange „von der Seele“ zu schreiben, bis der Schmerz oder die Wut nachlassen, das Papier anschließend zusammenzuknüllen und in
den Papierkorb zu werfen. Oder noch besser, es in einem Ritual zu verbrennen und dem Höchsten zu übergeben mit der Bitte um Heilung.
Sollte sich etwas in uns daran festhalten, die Geschichte immer wieder hervorkramen, um sich weiter daran zu `ergötzen´, was der/die Andere uns angetan hat, haben wir es mit einer hartnäckigen
Egostruktur zu tun. Das In-Worte-Fassen agiert hier grundsätzlich als Verstärker.
Häufig werden wir von einer provokativen Situation überrumpelt und re-agieren vorschnell. Dem kann man begegnen, indem man sich grundsätzlich angewöhnt, eine bewusste Atempause einzulegen und die Situation zu "entschleunigen", wie wenn man den Film auf Zeitlupe stellt: "Was war das gerade ...? Schauen wir doch mal genauer hin ... Hast du eine Idee dazu, liebe Seele ...? "–, bevor man antwortet oder handelt.
Negative Emotionen machen uns schwach
Wenn uns jemand beleidigt oder provoziert, befindet er sich selbst in einer negativen Schwingung. Gehen wir damit in Resonanz und fangen wir ebenso an, in dieser Emotion zu schwingen, setzt das
unser Bewusstsein herab und damit unsere Kraft.
Alles, was wir in einem negativen, wütenden Zustand tun oder sagen, ist in der Regel unüberlegt, dumm und wir laufen Gefahr, uns lächerlich zu machen. Was ist dadurch gewonnen?
Hängen wir länger in solch einem Kreislauf fest, sollten wir uns fragen, ob wir uns bewusst oder unbewusst die Opferrolle zu eigen gemacht haben.
Beobachten wir unseren Körper sehr genau, können wir aufsteigende Emotionen als Vibrationen spüren. Seien es der Bauchraum, der Solarplexus, der Nacken oder der Hals, der einem `anschwillt´. Dazu gibt es ja viele bekannte Redewendungen. Man kann diese Vibrationen mit Abstand beobachten und mit Konzentration zur Ruhe bringen. Wie einen lästigen Eindringling, der unverschämt in uns herumhüpft und an unseren Nerven rüttelt und ziept. Man kann mit seinem Körper tatsächlich reden wie mit einem Kind: "Sei still, bleib ruhig..., ich mach das schon." Es lohnt sich, das auszuprobieren.
Gelingt es uns, dem betreffenden Körperareal unsere Ruhe aufzuerlegen und die Vibrationen zu stillen, spüren wir einen Zuwachs an Stabilität, Stärke und Selbstsicherheit. Meist ist das Bedürfnis, überhaupt auf die Provokation zu reagieren, mit einem Mal verschwunden. Diese Ausstrahlung der Regungslosigkeit und Stärke wirkt unter Umständen positiv zurück auf die Person, die uns provoziert hat.
Zwei Dinge müssen getan werden. Man muss Kindern beibringen:
a) keine Lügen zu erzählen, ungeachtet der Konsequenzen;
b) Gewalt, Wut und Zorn zu kontrollieren.
Wenn diese beiden Dinge getan werden können, können sie zur Übermenschlichkeit geführt werden.
Die Mutter
Psychotherapie
Die angewandten Maßnahmen in der Psychotherapie (v.a. in der Psychoanalyse) und die Empfehlungen und yogischen Regeln auf dem spirituellen Pfad unterscheiden sich zuweilen erheblich.
Ausschnitte aus zwei Briefen von Sri Aurobindo:
Die Freudsche Psychoanalyse ist das Letzte, was man mit dem Yoga in Verbindung bringen sollte. Sie befasst sich mit einem bestimmten Teil, und zwar dem dunkelsten, gefährlichsten, ungesundesten Teil der menschlichen Natur, mit der niederen vitalen, unterbewussten Schicht, isoliert einige ihrer krankhaftesten Erscheinungsformen und unterstellt ihnen einen Einfluss, der in keinem Verhältnis zu ihrer wahren Rolle in der Natur steht. Die moderne Psychologie ist eine in den Kinderschuhen steckende Wissenschaft, sowohl unbesonnen als auch unsicher und unausgereift. Wie bei allen neu entwickelten Wissenschaften tobt sich hier die universelle Gewohnheit des menschlichen Mentals aus, eine unvollständige oder örtlich begrenzte Wahrheit ungebührlich zu verallgemeinern und zu versuchen, den gesamten Bereich der Natur mit ihren engen Begriffen zu erklären. ...
Es fällt mir schwer, diese Psychoanalytiker überhaupt ernst zu nehmen, wenn sie versuchen, spirituelle Erfahrung im flackernden Licht ihrer Fackeln zu untersuchen – dennoch sollte man es vielleicht tun, denn Halbwissen ist eine machtvolle Sache und kann ein großes Hindernis für das Hervortreten der reinen Wahrheit sein. Diese modernen Psychologen kommen mir sehr wie Kinder vor, die ein abgekürztes und nicht ausreichendes Alphabet erlernen und jubelnd ihr ABC des Unterbewussten mit dem geheimnisvollen Untergrund des Über-Ichs vermischen und sich einbilden, dass ihr erstes Schulheft dunkler Anfänge (K-A-T-Z-E = Katze, B-A-U-M = Baum) der eigentliche Kern wahren Wissens sei. Sie blicken von unten nach oben und erklären die höheren Formen des Lichtes mit Hilfe der niederen Dunkelheit; aber die Grundlage dieser Dinge liegt oben und nicht unten, upari budhna esâm. Das Überbewusste, nicht das Unterbewusste, ist die wahre Grundlage der Dinge. Die Bedeutung des Lotos kann nicht ergründet werden, indem man die Geheimnisse des Schlammes analysiert, aus welchem er hier wächst; sein Geheimnis muss im himmlischen Urbild des Lotos gefunden werden, der ewig im Lichte blüht, das über uns ist. Außerdem ist der Bereich, den die Psychologen sich ausgewählt haben, unergiebig, dunkel und begrenzt; du musst das Ganze kennen, bevor du den Teil kennen kannst, und das Höchste, bevor du das Niederste wirklich verstehen kannst. Dies ist die Verheißung einer höheren Psychologie, die ihrer Stunde harrt und vor der dieses armselige Umhertappen dahinschwinden und im Nichts zerrinnen wird.
(Briefe über den Yoga, Band II)
Sich kurzfristig Luft zu machen, bevor man sich durch Verdrängung länger damit herumquält, mag hin und wieder sinnvoll sein. Grundsätzlich ist das Ausleben von z.B. Wut aber nicht das Mittel der Wahl. Sich mit negativen Eigenschaften, Situationen oder Emotionen dauerhaft zu beschäftigen, verstärkt sie nur unnötig. Wie alles, worauf wir ständig unsere Aufmerksamkeit richten. Treten sie immer wieder auf, kann es hilfreich sein, die Ursachen näher zu ergründen. Will man sie aber überwinden, muss man bereit sein, sie auch dann loszulassen und dem göttlichen Bewusstsein zur Transformation zu übergeben, wenn wir sie nicht in allen Einzelheiten verstehen. Das ist besonders schwer, wenn wir sie über Jahre zu einem Teil unserer äußeren Identität gemacht haben. Sowohl unser Körperbewusstsein als auch das Ego stützen sich auf diese Gewohnheiten.