Menschliches Mitleid, wahres Mitgefühl und göttliche Gnade (Teil 3)

 

 

 

Nicht Mitleid, das am Herzen zehrt und die inneren Glieder schwächt, sondern ein göttliches, meisterhaftes und unbesorgtes Mitgefühl und Hilfsbereitschaft sind die Tugenden, die wir fördern sollten.

 

Sri Aurobindo

 

Wir werden seit Jahrzehnten mit schrecklichen Ereignissen beschallt und bebildert, im TV und in den Medien. Und wenn gerade kein dramatisches Thema ansteht, dann wird eines erfunden. Die Spielfilme zeichnen düstere, dystopische Szenarien, wie unsere zukünftige Welt aussehen wird. Wir sollen auf diese Dunkelheit und Negativität eingestimmt werden.

Menschen, die in Angst verharren, kreisen in sich eingeschlossen vorwiegend um die eigene Sicherheit. Andere verfallen in eine passive, resignative Haltung, denn "daran kann ich doch sowieso nichts ändern."

Ein Abhärtungsprozess fand über viele Jahre statt, `Coolness´ wurde zur Tugend erhoben, Empathie trat immer mehr in den Hintergrund.

 

Doch die Georgia Guide Stones sind zerstört, der Herr hat andere Pläne, wie oft zitiert. Momentan wird das Schauspiel so auf die Spitze getrieben, dass der Schmerz unerträglich wird für die Menschen, um sie aus ihrer Lethargie und Hypnose zu befreien. Diese Energie hat den ganzen Planeten erfasst und macht vor niemandem Halt. 

Unser Mitgefühl ist durch die Spaltung der Gesellschaft gefragt wie nie. Und das wird sich noch steigern, sobald alle Gräueltaten offengelegt wurden und die öffentlichen Gerichtsprozesse beginnen. Es ist leicht, mit einer netten Person Mitgefühl zu haben, die in Not geraten ist. Wie aber sieht es mit Gewaltverbrechern und korrupten Politikern aus?

Es ist gewollt, dass wir unsere bisherige Wahrnehmung hinter uns lassen und in eine neue Qualität des Bewusstseins hineinwachsen, die sich immer mehr dem göttlichen annähert. Aber sollte uns nicht genau das aberzogen werden, wenn schon der Nachbar zur Bedrohung wird, weil er keine FFP2-Maske trägt?

 

 

Menschliches Mitleid und Mitgefühl


„Die Zeit heilt alle Wunden.“
„Du bist so eine starke Frau, du schaffst das schon!“
„Jeder hat sein Paket zu tragen. Du bist nicht allein.“

U.a.m.


Ich kenne diese Sätze, und ich habe erfahren, wie sie wirken. Natürlich ist in allen dreien eine tiefere Wahrheit enthalten. Die Menschen meinen es gut, wenn sie so etwas sagen, denn es klingt `weise´. Und sie wollen uns irgendwie trösten und helfen, aber wissen doch nicht so recht, wie. Haben sie überhaupt darüber nachgedacht, was solch ein Mensch braucht im Moment seines größten Schmerzes?

Ich erinnere mich andererseits an den Trauergottesdienst meines Kindes. Ich spürte seine Anwesenheit und verbrachte diesen Tag in einem wahren Kokon aus Liebe und stiller Freude, was mich durch alle offiziellen Abläufe hindurchtrug, ohne den geringsten Schmerz zu verspüren. Aber auch an das Kopfschütteln und den vorwurfsvollen Blick einer ehemaligen Freundin, weil ich an diesem Tag für sie nicht dem Erscheinungsbild einer trauernden Mutter entsprach. Sie ging mir aus dem Weg und hat mich nie danach gefragt, weshalb das so war. Wie gern hätte ich ihr, wie anderen auch, erzählt, dass ich an diesem Tag erfahren durfte, dass der Tod nicht existiert und dass die Liebe alles überdauert.

 

Im Angesicht großen Leids fühlen wir uns oft hilflos, denn letztendlich können wir das, was wir durch unsere Spiegelneuronen vom dem Betroffenen aufnehmen, nur schwer ertragen und würden diesen Gefühlen am liebsten entfliehen (sofern wir nicht abartig veranlagt sind). Oft ist die erste spontane Regung ein wahres Aufflammen von Mitgefühl, das aber sofort überdeckt wird durch unsere vitalen Impulse und dem Mental, seinem Geschichtenerzähler, die jetzt analysieren und abwägen, wie man sich am besten verhält in solch einer Situation, statt sich ihr anzupassen mit einem offenen, mitfühlenden Herzen.

Gar manch einer leidet so sehr mit und ergeht sich wortreich in Bedauern, dass man sich als Betroffener ob seines Leid fast bemüßigt fühlt, ihn zu trösten.

 

Sri Aurobindo sagte über das Mitleid:


Selbstmitleid entspringt immer der Selbstliebe; aber Mitleid mit anderen entsteht nicht immer aus der Liebe zu seinem Objekt. Manchmal ist es ein selbstsüchtiges Zurückschrecken vor dem Anblick des Schmerzes; manchmal ist es die verächtliche Zuwendung des Reichen an den Bettler.

Entwickelt lieber Gottes göttliches Erbarmen, als menschliches Mitleid. ...
Nicht Mitleid, das am Herzen zehrt und das Innere schwächt, sondern göttlich gemeistertes und ungetrübtes Erbarmen und Hilfsbereitsein sind die Tugenden, die wir ermutigen sollten.
 

 

 

Was bedeutet wahres Mitgefühl?


„Mitgefühl ist das Äquivalent von Miséricorde. Es ist ein Erbarmen voller Kraft und Güte, ein Erbarmen, das verzeiht und wiedergutmacht, alle Beleidigungen vergisst und immer das Beste für jeden will.“ (die Mutter)


Wahres Mitgefühl ist im Grunde göttliches Mitgefühl. Es verhält sich damit wie mit der Liebe, beide gründen sich auf Selbstlosigkeit. Es IST und erstreckt sich unterschiedslos auf Alles und Jeden. Es wird begleitet von einem Gefühl der Weite und des Gleichmuts und wird nicht erschüttert von unseren zweifelnden, niederen Instinkten, ob dieser Verbrecher unser Mitgefühl überhaupt verdient. Es erwartet nicht, dass der Betroffene anerkennt, wie sehr wir uns um ihn bemühen in seinem Leid. Wahrem Mitgefühl ist es einerlei, ob man uns schief anschaut und als Schwäche auslegt, dass wir mit einem Vergewaltiger mitempfinden und wie weit er sich von seinem göttlichen Sein entfernt hat. 

Wenn wir jemandem Mitgefühl `schenken´, `verlieren´ wir nichts dabei. Es ist eine Seelenstärke, die sich verströmt, und die Quelle ist unbegrenzt. Es ist eine Bewusstseinsschwingung, aus der sich ganz natürlich das richtige Handeln ergibt, weil es vom Standpunkt einer höheren Wahrheit aus wahrnimmt und urteilt.

Sollten wir unseren Mitmenschen gegenüber denn nicht ebenso großherzig und mitfühlend sein, wie der Höchste es mit uns ist, im Angesicht unseres grotesken Treibens auf der Erde?   

 

Es ist ein „universelles göttliches Erbarmen, das unparteiisch wirkt auf alle, die sich ihm nähern und alle Gebete erhört. Es wählt nicht die Gerechten aus und weist die Sünder zurück. Die göttliche Gnade kam dem Verfolger (Saulus von Tarsus) zu Hilfe, sie kam zum heiligen Augustinus, dem Wüstling, zu Jagai und Madhai von berüchtigtem Ruf, zu Bilwamangal und vielen anderen, deren Bekehrung den Puritanismus der menschlichen moralischen Intelligenz durchaus skandalisieren könnte; aber sie kann auch zu den Gerechten kommen – sie heilt sie von ihrer Selbstgerechtigkeit und führt zu einem reineren Bewusstsein jenseits dieser Dinge.“ (Sri Aurobindo)

 

Wahres Mitgefühl entkoppelt uns, wie die bedingungslose Liebe, vom Wirbel der äußeren, augenscheinlichen Ereignisse und Dramen, denen das Ego noch anhängt. Natürlich gelingt das auch spirituell Berufenen nicht auf Anhieb, sondern erst, wenn das seelische Wesen allen unseren Wesensgliedern seine Herrschaft auferlegt hat und nun aktiv am Leben teilnimmt.

 

" ... sobald der Mensch sich auf eine etwas höhere Stufe erhebt, beginnt er, Mitgefühl für Tiere zu empfinden und versucht, ihr Los zu verbessern. Doch die Vorstellung vom gefühllosen Übermenschen hat einen wahren Kern: Die höhere Rasse wird nicht die Art von egoistischem, schwachem und sentimentalem Mitleid empfinden, das die Menschen Nächstenliebe nennen. An die Stelle dieses Mitleids, das mehr schadet als nützt, wird ein starkes und aufgeklärtes Mitgefühl treten, dessen einziger Zweck es sein wird, dem Leiden ein wahres Heilmittel zu geben, und es nicht aufrechtzuerhalten. …
Nur, wenn das psychische Bewusstsein im Wesen allmächtig ist, kommen das Mitgefühl für alles, was Hilfe braucht, in welchem Bereich auch immer, und die Dankbarkeit für alles, was die göttliche Gegenwart und Gnade manifestiert, in welcher Form auch immer, in ihrer ganzen ursprünglichen und leuchtenden Reinheit zum Ausdruck, ohne dass sich das Mitgefühl mit einer Spur von Herablassung oder die Dankbarkeit mit einem Gefühl der Unterlegenheit vermischt. … " (die Mutter)

 

Erfahren nicht viele von uns in diesen Tagen, was es heißt, ausgegrenzt zu werden? Wollen wir dieses Spiel ewig weiterspielen? 

 

 

 

Göttliches Mitgefühl und göttliche Gnade

 

 

 

 

Wer Scheitern und Unvollkommenheit verdammt, verdammt Gott, er beschränkt seine eigene Seele und betrügt seine eigene Schau.

Verdamme nicht, sondern beobachte die Natur, hilf deinen Brüdern, heile sie und stärke durch Mitgefühl ihre Fähigkeiten und ihren Mut.

 

Sri Aurobindo

 

 

Aus einem Gespräch zwischen der Mutter und Satprem vom 7. Dezember 1966:


ES GIBT DREI MÄCHTE, (die das irdische Leben regieren):

1.   Das kosmische Gesetz, Karma oder auch anders genannt;
2.  das göttliche Mitgefühl, das auf alle wirkt, die es durch die Netze des Gesetzes hindurch erreichen kann, und das allen eine Chance gibt;
3. die göttliche Gnade, deren Wirken unberechenbarer, aber auch unwiderstehlicher ist als das der anderen beiden.

 

(Sri Aurobindo)

(Mutter schenkt Satprem eine Blume, der sie den Namen "Gnade" gab, dann eine zweite.)
Möchtest du noch eine zweite Gnade?... Davon kann man nie genug haben.
Ach, kürzlich stellte man mir eine Frage zur Botschaft vom 24. November (siehe oben), und Sri Aurobindo antwortete. Das war so interessant! Plötzlich sah ich etwas. Während er sprach, war es einfach wunderbar. Ich sah das Mitgefühl und die Gnade, das "Gesetz" und das Mitgefühl, und dann, wie das Mitgefühl auf alle wirkt – für alle und jeden, ohne Unterschied und ohne Bedingung. Und dass das Mitgefühl darin besteht, sie in einen Zustand zu versetzen, in dem sie die Gnade empfangen können.
Ich fand das wunderbar.
Das war die Erfahrung: Ich sah und spürte dieses Mitgefühl, das durch die Maschen des Netzes hindurch arbeitet, und dass die Gnade allmächtig ist. Mit anderen Worten, das "Gesetz" ist kein Hindernis mehr. Ich sah dieses Mitgefühl, das alle berührte und allen eine Chance gab. Ich verstand, was er wirklich damit meint, wenn er sagt, dass es "jedem seine Chance gibt": gleichermaßen, absolut ohne Unterscheidung nach Wert oder Bedeutung oder Voraussetzung, auch nicht abhängig vom Zustand, von nichts – jedem absolut dieselbe Chance. Und das Ergebnis dieses Mitgefühls war, sie für die Existenz der Gnade zu erwecken, sie spüren zu lassen, dass es im Universum so etwas wie eine Gnade gibt. Für diejenigen, die Sehnsucht und Vertrauen haben, wirkt die Gnade unmittelbar – sie wirkt immer, aber für diejenigen, die Vertrauen haben, entfaltet sie ihre volle Wirksamkeit.

All dies war so klar und deutlich! Wirklich wie eine neue Erfahrung, eine Offenbarung. Und wie sehr doch Sri Aurobindo Ausdruck dieses Mitgefühls war ... Man sah es in seinen Augen, nicht wahr, seine Augen waren voller Mitgefühl. Aber ich verstand, was dieses Mitgefühl wirklich ist. Das war am Sonntagnachmittag.

Irgendwo hat er auch geschrieben: "Es ist sehr selten, dass sich die Gnade von irgend jemandem abwendet, aber es gibt viele, die sich von der Gnade abwenden – but men turn away from the Grace." Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Wortlaut, aber ich glaube, er gebrauchte das Wort crooked. Auch das war so lebendig: es war nicht die Gnade, die ihr Wirken zurückzieht, keineswegs – die Gnade wirkt weiterhin. Die Menschen aber waren – ja, crooked, verdreht. ...
Es ist ... so, dass ihre Kraft und ihr Handeln, anstatt direkt geradeaus zu gehen, alle möglichen Windungen, Umwege und Kreisbewegungen macht, die zu sich selbst zurückkehren, was die ganzen Schwingungen entstellt, und dass ihre eigene Seinsweise alles entstellt (die ganze Zeit kommt mir das Wort distort). Es ist verdreht, anstatt gerade zu sein. Und dann hat die Gnade keine Wirkung mehr; sie kann ihre Wirkung nicht entfalten.
In jenem Augenblick war das ein sehr lebendiges Bild. (die Mutter)



Manche Menschen tragen Sorge, dass sie ausgenützt oder (wieder?) verletzt werden, wenn sie sich öffnen und Mitgefühl zeigen. Aber das geschieht nur, wenn wir eine Erwartungshaltung damit verbinden, wie der andere darauf zu reagieren hat und in einem Aufwallen von mitleidiger Sentimentalität ungerechtfertigte Zugeständnisse machen, die uns später reuen oder sich als nachteilig erweisen.

 

Übergibt man alle diese Egoanteile dem Göttlichen und nimmt selbst die göttliche Gnade vollumfänglich an, wird man "kugelsicher", wie ein Dr. David R. Hawkins es nannte.

Einer seiner Lieblingssprüche war: "Ich bin doof und hässlich? Na und, Gott liebt mich."

Humorvoller und kürzer kann man es nicht zum Ausdruck bringen, die Liebe zum Göttlichen an die erste Stelle zu setzen. 

 

 
Es ist ganz offensichtlich, dass mit der Weite und Totalität der Vision etwas kommt, das ein Mitgefühl ist, das versteht – nicht das Mitleid des Höhergestellten für den Minderwertigen: das wahre göttliche Mitgefühl, welches das totale Verständnis ist, dass jeder ist, was er sein muss.

 

Die Mutter

 

 

 

 

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