Glaube und die Kompaktheit des Seelischen (Teil I)

 

 

 

Die Wahrnehmung des äußeren Bewusstseins kann das, was die Seele wahrnimmt, leugnen. Die Seele aber hat das wahre Wissen, ein intuitives, instinktives Wissen. Sie sagt: “Ich weiß, ich kann es zwar nicht begründen, aber ich weiß.” Denn ihr Wissen ist nicht mental, auf Erfahrung beruhend oder als richtig erwiesen.

Ihr Glaube beruht nicht auf Beweisen: Glaube ist die Bewegung der Seele, deren Wissen spontan und direkt ist. Selbst wenn es die ganze Welt abstreitet und tausend Beweise des Gegenteils erbringt, weiß sie dennoch mit Hilfe eines inneren Wissens, einer direkten Wahrnehmung, die allem standhält, einer Wahrnehmung durch Identität.

Das Wissen der Seele ist etwas Konkretes, Berührbares, eine solide Masse. 

 

Die Mutter

 

 

 

Das Durchseelen von Mental, Vital und den stofflichsten Bereichen des Körpers gehen Hand in Hand, und diese Kompaktheit, diese durchseelte „solide Masse“, wie die Mutter es ausdrückte, kann man ihm Laufe des Yogas immer deutlicher in sich spüren. 

Für lange Zeit ist der Weg des integralen Yogas einer wellenartigen Bewegung unterworfen: Nie enden wollende Abstiege, eine Agonie, die sich gähnend in die Länge zu ziehen scheint aufgrund der tiefen, unbewegten Unbewusstheit, der man sich dort annähert, wechseln ab mit Phasen zunehmender Macht, Wissen und schnell schwingender Durchlichtung, die die Zeit zu beschleunigen scheinen und die wiederum gebraucht werden, um in immer tiefere Schichten hinabzutauchen, sie aufzubrechen und das eingefrorene Bewusstsein dort wieder zum Leben zu erwecken.  

In den dunklen Phasen wird man nicht selten heimgesucht von starken Zweifeln, die sich bis zum hartnäckigen Zurückweisen der göttlichen Kraft aufblähen können. Denn je mehr verletzt, umso verhärteter ist der Bereich der betroffenen Körperzellen, und in diesen bäumt sich augenblicklich Widerstand auf, wenn das supramentale Licht darauf gerichtet wird. Alles verkrampft sich und schreit: “Nein, nein, nicht schon wieder dieser Schmerz!“  Denn das Aufbrechen bringt ihn noch einmal hoch in unser Bewusstsein, was nur schwer zu ertragen ist. Hatte ihn doch der uralte Bewältigungsmechanismus des Körpers tief und fest eingerollt und verdrängt, um ihn nicht mehr spüren zu müssen. "Was soll ich denn jetzt noch damit?!"

Nicht selten resultieren aus dieser Anstrengung und Verkrampfung der Verdrängung chronische Erkrankungen und Dispositionen für psychische und körperliche Schwächen und Anfälligkeiten der vielfältigsten Art, die wir heute ganz anderen Ursachen zuschreiben. Meist reichen die wahren Ursachen weiter in der Familie zurück, was wir dann "Vererbung" nennen: Der steife Nacken, die Anfälligkeit für Bänderrisse oder Knieschmerzen, die "Kalkschulter", der schwache Magen, das Rheuma oder die regelmäßig wiederkehrende Blasenentzündung, die Liste ist vielfältig.  

 

 

 

Die positive Seite an der Arbeit im Körper

 

Der Yoga im Körper ist wie schon oft geschrieben der schwierigste Teil auf diesem Pfad. Doch ist man ein Stück weit fortgeschritten auf dem Weg der körperlichen Umwandlung, und das kann sich über Jahrzehnte hinziehen, stellt das körperliche Bewusstsein nach einer der üblichen Runden plötzlich fest: „Hoppla, war doch gar nicht mehr so schlimm diesmal, was ist los …?“  Man erfährt und ist zuweilen überrascht, dass die übliche Revolte und Gegenwehr immer mehr in sich zusammenbricht, bevor sie sich wieder mit Hilfe mentaler und vitaler Rechtfertigungen zur vollen Dramatik und zum maximalen Widerstand aufbäumen konnte. So wird sie schon im Ansatz erstickt, indem sich eben die von Mutter beschriebene solide seelische Masse deutlich spürbar in uns erhebt, sich immer mehr ausdehnt und jedes „Ich will nicht mehr!“ regelrecht plattwälzt. Ein paar Reste des Körperegos wollen noch protestieren, aber gegen diese sanfte und nicht zurückweichende Übermacht haben sie keine Chance mehr. Es ist wirklich so, dass sich etwas in unserem Inneren still und leise immer mehr ausbreitet, eine stille, kompakte und solide Masse, die man tatsächlich körperlich wahrnehmen kann: Alle bereits transformierten und durchseelten Bereiche unseres Seins scheinen sich zu verbinden und nun gegen die übrig gebliebenen `dummen´ aufstehen und jedes schmerzhafte Aufbegehren immer mehr an die Oberfläche unseres Seins zu drängen und letztendlich vollkommen hinauszuwerfen. Das stolze Ego, das aus purer Gewohnheit noch gern eine Weile trotzen würde und sich doch so gern an seine Meinung, dass hier etwas gewaltig schief läuft und höchst ungerecht ist, fällt buchstäblich in sich selbst zusammen.

Und "etwas" lächelt dabei, wie jedes mal. Nur jetzt stimmt man erleichtert in dieses Lachen mit ein.   

 

Natürlich muss man erst einmal an diesen Punkt kommen, denn oft schon wähnte man sich kurz vor dem Ziel, nur um zu erfahren, dass man noch nicht ganz auf dem Grund des Seins angelangt war, oder zumindest so weit in diese Tiefen vorgedrungen, dass man dort unten bereits transformierten und bewussten Bereichen begegnet, die des ganzen leidvollen Vorgangs bereits müde sind und uns jetzt unterstützen. Das ist eine unglaubliche Ent-deckung, im wahrsten Sinne des Wortes. Man kann darüber gelesen haben, soviel man will, das Mental kann sich vorstellen, wozu immer es in der Lage ist, aber nichts davon entspricht auch nur annähernd der gelebten Erfahrung. Diese Feststellung entspricht jener der Mutter, die sagte, dass das Mental der Körperzellen überaus willig und zuverlässig an diesem neuen Bewusstsein festhält, wenn es dieses erst einmal akzeptiert und vollkommen angenommen hat. Und man erhält eine Ahnung davon, über welche Macht unser vollkommen transformierter Körper verfügen wird. 

 

 

 

Wenn die Liebe schmerzhaft fehlt

 

In den dunklen Phasen leiden wir nicht selten unter der „kühlen“ Liebe unseres seelischen Wesens und der kühlen Strenge der Mutter, die sie selbst bestätigte, denn viel lieber würden wir dann in den Arm genommen und bedauert werden und wünschten uns, dass dieser Schmerz von uns ferngehalten und wir stattdessen mit göttlicher Labsal übergossen werden. Aber würden unsere Seele und die göttliche Mutter, die diese Arbeit in uns tun, unserem Gejammer und Meutern jetzt nachgeben, kämen wir nicht voran.

Und so stimmen wir letztendlich immer schneller ein in dieses anfangs unverständliche Lachen, dem wir früher getrotzt haben und das uns schon immer sagte: "Lass los, du brauchst das alles nicht mehr – sieh doch, es ist nur eine Erinnerung, nicht mehr – es ist eine Lüge", wenn wir vor Schreck versucht haben, all das wieder nach unten zu schieben und gar nicht erst ans Licht zu lassen.  

 

Auch, wenn wir diesen Yoga in unserem kleinen Körper durchführen, so können wir doch nicht vermeiden, und so ist es auch nicht gewollt, dass ein entsprechender  Schwingungsbereich der globalen irdischen Materie mit uns in Resonanz geht, um mit erlöst zu werden. Entsprechend monströs ist die Gegenwehr. Was das Ganze zusätzlich erschwert ist die Tatsache, dass diese Transformation das erste Mal in der Geschichte der Menschheit in diesem globalen Ausmaß stattfindet. 

Es ist das Mental der Zellen, dass so überaus schwerfällig von Begriff ist und von dem Sri Aurobindo sagte, es würde sich immer nur weiter im Kreis drehen und sich nicht transformieren lassen. Weshalb er seine Kraft der Mutter übertrug, da ihr Körper empfänglicher war, eine Eigenschaft des Weiblichen. Sie führte in ihrem Körper zu Ende, was Sri Aurobindo begann, beider Aktion war ein und dieselbe. 

 

Der Weg wurde bereitet und aus diesem Grund können wir heute nachfolgen. Was es dazu braucht, ist der Glaube daran und an die göttliche Führung und ihre Absichten, sich in uns und durch uns zu verwirklichen. Im Yoga des Körpers gibt es Zeiträume, in denen man sich auf nichts anderes stützen kann als auf diesen blinden Glauben. Und selbst, wenn das nicht mehr gelingt, setzt sich die Arbeit in unserem Inneren fort, bis sich wieder ein Fenster zum gemeinsamen Voranschreiten mit unserem seelischen Führer öffnet und wir die bewusste Teilhabe daran mitempfinden können.   

 

 

 

Das Wissen der Seele ist etwas Konkretes, Berührbares, eine solide Masse. Du kannst es auch deinem Mental, deinem Vital und deinem Physischen vermitteln; und dann hast du einen integralen Glauben, einen Glauben, der tatsächlich Berge versetzt. Aber nichts im Wesen darf kommen und sagen: “Es ist nicht so”, oder nach einem Beweis fragen. Der geringste Halb-Glaube verdirbt die Dinge. Wie kann sich der Höchste manifestieren, wenn der Glaube nicht umfassend und unerschütterlich ist? Glaube als solcher ist immer unerschütterlich – das ist seine eigentliche Natur, denn andernfalls ist es kein Glaube.

 

Es kann aber geschehen, dass das Mental oder Vital oder das Physische der seelischen Bewegung nicht folgen. Ein Mensch kann zu einem Yogi kommen und plötzlich den Glauben haben, dass dieser ihn zu seinem Ziele führen wird. Er weiß nicht, ob er Wissen hat oder nicht. Er fühlt einen seelischen Schock und weiß, dass er seinem Meister begegnet ist. Sein Glaube beruht nicht auf langen, mentalen Überlegungen oder darauf, dass er viele Wunder gesehen hat. Und das ist die einzige Art von Glauben, die Wert hat. Du wirst immer deine Bestimmung verfehlen, wenn du zu argumentieren beginnst. Es gibt Menschen, die setzen sich hin und überlegen, ob der seelische Impuls vernünftig ist oder nicht.

 

Der sogenannte blinde Glaube ist tatsächlich nicht das, was die Menschen in die Irre führt. Oft hört man: “Oh, ich habe an diesen oder jenen Mann geglaubt und er hat mich betrogen!” Doch tatsächlich ist nicht der Mensch schuld, sondern der Gläubige; es ist eine Schwäche in ihm selbst. Hätte er seinen Glauben bewahrt, würde er den Menschen geändert haben; da er aber nicht in dem gleichen Glaubenbewusstsein verharrte, fand er sich selbst betrogen, und ließ den Mann nicht das sein, was er sein wollte. Wenn er einen umfassenden Glauben gehabt hätte, hätte er ihn dazu gebracht, sich zu ändern. Allein der Glaube ist es, der Wunder geschehen lässt.

 

Ein Mensch geht zu einem anderen Menschen und hat einen Kontakt mit der Göttlichen Gegenwart; wenn er diesen Kontakt rein und anhaltend bewahren kann, wird hierdurch das Göttliche Bewusstsein verpflichtet, sich im rein Stofflichen zu manifestieren. Doch hängt alles von deiner eigenen Norm und Aufrichtigkeit ab; und je bereiter deine Seele ist, umso eher wirst du zur rechten Quelle geführt werden, zum rechten Meister. Die Seele und ihr Glaube sind immer wahrhaft; wenn aber in deinem äußeren Wesen eine Unaufrichtigkeit besteht, und wenn du nicht das spirituelle Leben, sondern persönliche Macht suchst, kann dich das in die Irre führen. Dies, und nicht dein Glaube, lässt dich irren. Der Glaube als solcher ist rein, er kann aber im [menschlichen] Wesen mit niederen Bewegungen vermischt werden, und das führt dich in die Irre. 

 

Die Mutter

 

 

 

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